In den letzten Wochen sorgte die sogenannte „Postenschacher-Affäre“ um ÖVP-Klubobmann August Wöginger medial für Aufsehen. Anlass war ein Verfahren, in dem ihm vorgeworfen wird, bei der Besetzung eines öffentlichen Postens Einfluss genommen zu haben, wodurch eine Bewerberin übergangen wurde. Während die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Beschwerde gegen die vorläufige Erledigung einbrachte, stellt sich vielen die Frage: Was bedeutet eigentlich „Diversion“?
Eine Diversion ist eine Möglichkeit, ein Strafverfahren in Österreich zu beenden, ohne dass es zu einer formellen Verurteilung kommt. Der Beschuldigte wird also nicht strafgerichtlich verurteilt und es erfolgt kein Eintrag ins Strafregister.
Voraussetzung für eine Diversion gemäß § 198 Strafprozessordnung (StPO) ist unter anderem, dass es sich um ein Offizialdelikt handelt. Damit ist ein Delikt gemeint, das von Amts wegen verfolgt wird – also ein Fall, bei dem die Staatsanwaltschaft unabhängig von einer Anzeige tätig wird, weil ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Weitere Bedingungen sind: ein hinreichend geklärter Sachverhalt, Übernahme von Verantwortung durch den Beschuldigten, maximale Strafdrohung von fünf Jahren Freiheitsstrafe, keine Todesfolge, keine schwere Schuld und keine präventiven Bedenken wie etwa eine Rückfallgefahr.
Eine diversionelle Erledigung bringt Vorteile für die betroffene Person und das Justizsystem: Sie ermöglicht einen raschen Abschluss des Verfahrens, vermeidet einen Schuldspruch und einen Eintrag ins Strafregister und bietet die Möglichkeit individueller Maßnahmen, etwa Wiedergutmachung oder andere geeignete Schritte. In der Praxis wird diese Form der Verfahrenserledigung häufig bei jungen oder erstmalig straffällig gewordenen Personen eingesetzt oder wenn ein Ausgleich für die Tatfolgen möglich ist.
Einige Delikte waren lange von dieser Möglichkeit ausgeschlossen, etwa Sexualdelikte oder Amtsmissbrauch. In den letzten Jahren wurde die Diversion jedoch auch auf die Deliktsgruppe „Missbrauch der Amtsgewalt“ erweitert – aber nur, wenn der Beschuldigte durch die Tat keine oder nur unbedeutende Schäden verursacht hat und es sich nicht um Bestechung oder Bestechlichkeit handelt. In der Praxis kann dies etwa folgende Fälle betreffen: Müllmitarbeiter, die versehentlich zu viel Grünschnitt für Gärtnereien abtransportierten und dadurch Entsorgungskosten einsparten, oder eine Verwaltungspraktikantin, die die frühere Adresse ihres ehemaligen Partners abfragte.
Im Fall Wöginger prüft derzeit das Oberlandesgericht (OLG) Linz, ob die Rechte der übergangenen Bewerberin als geringfügig verletzt anzusehen sind und inwieweit das Verhalten einen höheren sozialen Unwert aufweist. Entscheidend ist dabei die objektive Bewertung des Einzelfalles, nicht die politische oder mediale Bewertung. Die gesetzlichen Voraussetzungen gelten unabhängig von der öffentlichen Position des Beschuldigten – genauso wie für jede andere Person. Ziel der Diversion ist es, dem Beschuldigten eine Chance zur Verantwortung und Wiedergutmachung zu geben, während das Verfahren effizient abgeschlossen wird, ohne dass die Tat formal verurteilt wird.
Die Entscheidung des OLG Linz könnte richtungsweisend sein – sowohl für die rechtliche Bewertung ähnlicher Fälle in der Zukunft als auch für die Anwendung der Diversion bei Amtsdelikten. Sie verdeutlicht, dass objektive Kriterien und die persönliche Verantwortung im Vordergrund stehen, während politische und mediale Dynamiken die juristische Beurteilung nicht ersetzen dürfen.
Dieser Text erhebt naturgemäß keinen Anspruch auf Vollständigkeit.





